Deutscher Unternehmergeist und Tatendrang – es verwundert kaum, dass sich hierzulande selbst die absurdesten Berufssimulationen durchgesetzt haben und einen großen Fan-Stamm aufbauen konnten. Während viele Spieler die Nase rümpfen, wenn sich begeisterte Interessenten in die virtuelle Rolle des Bus- oder Baggerfahrers schwingen, verkaufen sich die jeweiligen Produktionen teilweise gar millionenfach, obwohl sie weder über eine herausragende Grafik noch ein tiefgehendes Spielprinzip verfügen. Rail Nation (Railnation.de) spricht im Grunde eben jene Spieler an, beweist abgesehen von den üblichen Klischees jedoch eindrucksvoll, dass nicht nur oberflächlich Spannung bestehen kann. Kleine Patzer und Unstimmigkeiten sind dennoch vorhanden.
Der lange Weg zum Lok-Imperium
Publisher Travian Games hat sich in den vergangenen Jahren nicht gescheut, an der eigenen Außendarstellung zu schrauben. Mittlerweile gehört das Unternehmen klar zu den großen Favoriten der Browsergame-Szene und hat sich dementsprechend auch mit Rail Nation knietief in die Arbeit gesetzt. Der Eisenbahnspaß begeht dabei nicht den Fehler, sich zu sehr auf Casual Gamer zu verlassen: Obgleich das Setting zunächst sehr überschaubar ist und die Möglichkeiten der Fahrerei begrenzt zu sein scheinen, entwickelt das Spiel bereits nach wenigen Tagen ein Eigenleben, das zunächst kaum vorstellbar ist. Rail Nation ist dabei weit mehr als nur eine Eisenbahn-Simulation: Im Kern ist die Produktion eine waschechte Wirtschafts-Simulation, die ohne Planung und effektive Umsetzungen alsbald zur Katastrophe führt. Travian Games begeht den Drahtseilakt und spricht sowohl langjährige Simulations-Fanatiker als auch Neulinge an, die noch keine Erfahrungen mit Browsergames dieser Art sammeln konnten. Das Ergebnis kann sich nahezu durchweg sehen lassen und folgt einem einfachen Prinzip mit Präzision und vielen Gedanken „hinter den Rädern“.
Das Browserspiel lässt sich vollständig kostenlos spielen. Allerdings sind die bereits gewohnten Ingame-Käufe möglich und mit diesen lassen sich Vorteile gegenüber anderen Spielern erzielen. Für die Anmeldung muss nur eine gültige E-Mail-Adresse und ein Passwort angegeben werden.
Der Beginn verläuft obligatorisch und simpel: Der Spieler schlüpft nicht sofort in eine blühende Landschaft, sondern kann sich in aller Ruhe seinen individuellen Avatar zusammenbasteln.
Schnell fällt auf, dass die Steuerung sehr intuitiv und zu jeder Zeit Übersichtlichkeit gegeben ist. Sobald die ersten Schienen gesetzt sind, spielt sich Rail Nation nahezu von selbst – Überlegungen über kaum auffindbare Modifikationen gibt es nicht. Im Tutorial werden frühzeitig die gängigsten Klicks erlernt.
Volkoog wächst und wächst
Von einem hochwertigen Wirtschafts-Imperium ist der beschauliche Ort Volkoog zunächst noch sehr weit entfernt. Das kleine Nest erweist sich nicht nur als ausbaufähig, sondern gleichermaßen als unser Startpunkt. Wer schon jetzt erwartet, sich gleich ins Vergnügen stürzen zu können, sieht sich leider enttäuscht: Die Bahnhofshalle gleicht eher einem Schlachtfeld; überhaupt wirkt der ganze Ort sehr verschlafen und wenig einladend. Doch eben hier liegt frühzeitig die große Kunst von Rail Nation: Der Spieler hat schnell die Chance auf eine optimale Verbesserung. Dass die ersten Tage sogar mit geringeren Wartezeiten glänzen, freut speziell Neulinge, die nicht über Gebühr auf ihre ersten Erfolge hummeln möchten.
Rail Nation präsentiert sich als Spiel für die Masse. Statt einsam vor sich hin zu bauen, findet im Hintergrund durchaus ein Wettkampf mit weiteren Strategen statt. Garniert werden die verschiedenen Optionen mit der Einführung von insgesamt sechs Epochen, die jeweils zwei Woche andauern. Die Gesamtspielzeit beläuft sich auf drei Monate – danach beginnt das Endspiel, das die besten Spieler der letzten Wochen prämiert. Der Weg zur Metropole ist lang und steinig, gleichzeitig jedoch fair und lohnenswert. Rail Nation belohnt kontinuierlich, offenbart nach einer gewissen Spielzeit allerdings auch seine negativen Seiten, wenn teilweise über mehrere Stunden hinweg schlichtweg nichts zu erledigen ist.
Wo bleibt die Atmosphäre bei Rail Nation?
So einsteigerfreundlich und übersichtlich Rail Nation auch ist, so schnell kann der Spaß verfliegen, wenn kein Bezug zur Eisenbahnthematik besteht. Travian Games punkten mit einem ansprechenden Konzept, verlassen sich im Endeffekt allerdings zu sehr auf die immergleichen Animationen und Bilder, die schnell Langeweile aufkommen lassen, wenn die ersten Arbeiten über die Bühne gegangen sind. Natürlich sind die Epochen sehr abwechslungsreich, ändern jedoch nichts daran, dass immer wieder dieselben Handgriffe benötigt werden, bevor die nächste Wartezeit auf sich aufmerksam macht. Selbst der Bahnhof wirkt von der ersten Sekunde an relativ starr und lässt Getümmel und Hektik vermissen.
Rail Nation ist nicht schlecht umgesetzt. Ganz im Gegenteil bietet das Spiel zahlreiche Einzelheiten, die sehr ansprechend umgesetzt wurden und Langzeitmotivation versprechen. Besonders spannend sind die Epochen, die ihre eigenen Güter und Forschungsoptionen in den Fokus rücken. So gesehen macht Rail Nation vieles richtig, wenngleich die offensichtlichen Negativpunkte mit jeder weiteren Woche stärker in den Mittelpunkt geraten. Keine Sorge allerdings: Travian Games liegt auch mit der hauseigenen Eisenbahn-Simulation richtig und vermittelt mit den unzähligen Wirtschafts-Aspekten viele mögliche Taktiken und Strategien. Ob Rail Nation auch nach Ablauf der Epochen-Monate wieder zu munterem Bauen einlädt, ist abhängig vom eigenen Geschmack. Für ein reines Free-to-play-Spiel hat Travian vieles richtig gemacht!